Heute erwartet uns ein Knallerspiel: die Vorentscheidung um die Führung der Gruppe zwischen Kolumbien und der Elfenbeinküste. Der Airportservice unseres Hotels brachte uns die 900 Meter zum Flughafen. Das Boarding dauerte am längsten, aber auch nur deshalb weil wir uns in der falschen Reihe anstellten. Danach ging es fix. Das mit effizientem Einsteigen hat noch keine Fluggesellschaft der Welt korrekt gelernt. Anscheinend nehmen sie bei dem Konzept die gesammte minimal mögliche Intelligenz des Publikums angenommen anstatt darauf zu hoffen, dass sich Teile einer heterogenen Masse auch klug verhalten kann, was den Einsteigeprozess deutlich verkürzen würde. Also hatten wir frühzeitig die Plätze eingenommen sowie das Handgepäck verstaut. Ein sanfter Flug dem Morgengrauen entgegen brachte uns in die Hauptstadt.
Der Reiseführer hat mit gigantischen Entfernungen nicht übertrieben. Die Stadt ist riesig. Wir mühten uns mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zum Hotel und anschließend zur Innenstadt. Obwohl es keinen historischen Stadtkern gab, kann man den Busbahnhof als Mittelpunkt dieser Retorte ansehen. Die Brücken zeigten deutliche Abnutzungsspuren. Hier konnte man ohne Menschen die perfekte Kulisse für einen Post-Homo-Sapiens Endzeitfilm vorfinden. So stellt man sich eine Geisterstadt vor, wenn sie ein paar Jahre unbewohnt ist und die vorhandene Zivilisation ziemlich irreal wirkt. Die Architektur der zentralen Sehenswürdigkeiten schien wie eine längst vergessene Zukunftsvision. Wir besuchten die große Kirche, deren Saal unterhalb einer riesigen Kuppel lag und durch das Tageslicht hell geflutet wurde.
Das Stadion allerdings wusste im Vergleich zum großen Rest der Stadt vollends zu überzeugen. Zentral gelegen und gut angebunden, durfte hier das Fußballherz etwas höher schlagen. Ein extrem geiles Beispiel wie man aus aktuellen FIFA-Vorgaben eine Kathedrale des Sports aus dem Beton zaubern kann. Mit in rot gehaltenen Sitze und einer Runddachkonstruktion über den Tribünen, die auf zwei Rängen von viereckig perfekt den Übergang zum Runden fand, gab es außerdem weitläufige Umlaufflächen und ausreichend Futterstände. Die Stimmung war dank extrem hohem kolumbianischen Publikumsanteil auch entsprechend gut. Das zwischenzeitige 2:0 brachte die Hütte zum Beben und fortan wurde jede Balleroberung durch Kolumbien energisch gefeiert. Auch der Anschlusstreffer konnte nichts mehr ändern. Damit dürfte Kolumbien sicher durch sein. Eigentlich schade, denn dies ist bei optimalem Turnierverlauf unser einziges Spiel in diesem geilen Tempel.
Den Abend verbrachten wir nach Besuch des Fernsehturms in einem Straßenimbiss. Beim absoluten Knallerspiel Japan gegen Griechenland wurde lecker gebratenes Hühnchenfleisch geboten. Die Kolumbianer sind chon ein lustiges Volk und sprachen uns bei mehreren Gelegenheiten an, träumend vom großen Finale. 🙂 Aber auch wir deutsche schienen überall einen Sympathiebonus zu haben. Der Wirt des Imbiss jedenfalls dürfte mit dem heutigen Umsatz an Bier und Fleisch zufrieden gewesen sein. Kein Wunder, denn der übliche Südamerikanische Tisch bestellte üblicherweise nur eine Flasche Bier mit einer Anzahl Gläser, während wir auf die Gläser verzichteten und direkt für jeden eine Flasche ranholen ließen. Interessant waren ebenfalls gelegentlich vorbeilaufende Kinder/Jugendliche aus dem Viertel um ihre Backwaren unter den sitzenden Gästen zu verkaufen.