Ouro Preto, Belo Horizonte | Brasilien – Deutschland

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Heute standen wir sehr früh auf: Halbfinale! Bis nach Belo Horizonte zeigte google maps navigator 400km an, die erstmal gemacht werden wollten.

Vorher war aber noch etwas Kultur und sightseeing angesagt. Etwa halb 11 erreichten wir den schmucken Ort Ouro Preto, ein kleines Goldgräberstädtchen. Schon die Anfahrt zum zentralen Platz bot allerlei Anschauungsmaterial an Häusern im kolonialen Stil, gut gepflegtund bunt verziert. Auf dem typisch zentralen Platz fanden gerade die Vorbereitungen für das Public Viewing zum Spiel der Brasilianer statt. Wir bemühten uns, den beschriebenen Rundweg aus Zeitgründen mit Auto abzufahren aber kamen dabei nicht weit. So parkten wir es und liefen zwei der schönsten Kirchen besuchen. Leider durfte man dort nicht fotografieren aber in der zweiten fanden gerade mehrere Zeremonien inkl. Kamerateam statt, also knippste ich ein paar Bilder um mal ein paar der beeindruckendsten Innenausstattungen festzuhalten. Der hübsche Ort wusste zu beeindrucken, dennoch setzten wir bald mit großer Vorfreude die Fahrt nach Belo Horizonte fort.

Von der Stadt selbst konnten wir uns nicht viel anschauen. Der Stadtplan bzw. gmaps navigierte uns zur Abholstelle für die Tickets. Die Straßen in dieser Ecke hatten alle 90° Winkel zueinander, die kleineren Straßen mündeten mit 45° zu den großen. Direkt außerhalb der Sperrzone gab es wiedermal haufenweise Parkplatzanbieter, die ihre Hinterhöfe für Autos vermieteten und etwas Geld dafür wollten. In einem angrenzenden Wohngebiet stellten wir das Auto ab und liefen den letzten Kilometer bis zum Stadioneingang zu Fuß.

Die Spielpaarung allein versprach schon ein Knaller zu sein. Welche bessere Möglichkeit kann es geben, den WM-Gastgeber zu sehen? Zum Spielverlauf muss ich nicht viel schreiben, jeder interessierte wird es verfolgt haben und es wird mehr als genug Experten geben, die bei Erscheinen dieses Texts alle sportlichen Aspekte zu ausreichender Genüge aufgearbeitet haben werden.

Die Hymnen erzeugten zum ersten Mal während des Turniers richtig Gänsehaut, schöner hat das Deutschlandlied nie geklungen und mit mehr Gefühl wurde es bis dato nie gesunden, als an diesem magischen Nachmittag in Südamerika. Die Stimmung vor dem Spiel war prächtig, nur gute Laune war allseits präsent. Die Brasis versuchten, ihre Nervosität dadurch zu neutralisieren indem sie mich und andere Deutsche zu fotzeln versuchten und ständig was von einem 2:0 redeten. Ein Fingerzeig auf meinen DFB-Adler auf der Brust und das Wort Maracana ließ diesen Spaß dann schnell verstummen. Ein super Vorgeplänkel. Auch das Stadion überzeugte schnell. Das weite Rund, gut überdacht und Akustik waren in allen Belangen der Hochklassigkeit eines WM-Halbfinals würdig. Die Brasilianer legten stimmungsmäßig gut los, eine ordentliche Lautstärke mit ein paar halbwegs erkennbaren Gesängen, die vom gesammten Publikum getragen wurden. Sowas lässt einem doch das Fan-Herz höher schlagen. Von wegen, bei einer WM ist nix los. Allerin die Bedeutung des Spiels auch mit Hinblik auf gesellschaftliche Aspekte des Landes und die Überzeugung der Brasis, dieses Turnier unbedingt gewinnen zu müssen, führten zu einem unbeschreiblichen Fußballerlebnis, bei dem sich selbst der letzte Fußballdödel im Stadion aus sich heraus ging. Für meinen Geschmack kippte diese Stimmung jedoch etwas zu früh und zu jäh, als die deutsche Mannschaft das Spiel übernahm. Von nun an mit kleineren Unterbrechungen war nur noch der deutsche Sektor zu hören.

Beim Stand von 0:4 verließen einige Brasilianer bereits das Stadion. Einige ließen es sich nicht nehmen, uns die Hand zu geben oder abzuklatschen, Glückwünsche auszusprechen. Schon zur Halbzeit war die Stimmung spürbar nicht mehr so lustig wie noch kurz vor dem Spiel. Unsere Plätze direkt an einem der großen Durchgänge mit Abstand von 1.5m zu einer Brüstung und der kürzeste Weg von den unterhalb von uns sitzenden Zuschauern führte dazu, dass diese direkt an uns vorbei mussten. Das optische Highlight war ein Mann mit seinem Sohn, der Junge komplett in Tränen aufgelöst, der Mann mit versteinerter Miene gingen den kürzesten Weg aus dem Block hinaus. Während sich der Junge mit der linken Hand am Vater festhielt, wischte er sich mit der rechten Hand die Tränen aus dem Auge. Traurig, traurig. Allgemein war die Stimmung nach dem Spiel zwar sehr geknickt aber trotzdem weder aggressiv noch unfreundlich. Einige waren anschließend noch etwas trauriger, als man nichtmal mehr bereit war, das Trikot der stolzen Deutschen gegen eins der Selecao zu tauschen. Nee danke, ich hab mein DFB-Leibchen auch nicht gegen den Loser-Lappen getauscht. Je nach Verlauf des zweiten Halbfinals würden sie beim Finale nun für Deutschland oder Holland sein. Hauptsache gegen Argentinien.

Nach Spielende gab es für die deutschen Blöcke noch eine Ausgangssperre, die natürlich für uns keine Relevanz besaß. Dort jedenfalls herrschte beste Stimmmung und sie feierten sich selbst. Rio de Janeiro, oh-ohhhhh. Wir nahmen zügig Kurs auf Sao Paulo, liefen zurück zum Auto vorbei an den Polizeiabsperrungen wo die schwer bewaffneten Kampftruppen mit Schutzschild und Knüppel für die Halbfinalsieger Spalier standen, was für eine nette Geste. So viel wie noch nie. Wir kümmerten uns mit der angemesenen Portion Aufmerksamkeit einen Scheiß drum. Trotzdem wäre es mal interessant zu wissen, in welchen Situationen die Schild und Knüppel heben und gegen Fußballfans aus aller Welt losknüppeln würden. Vor allem, wie das dann international medial aufgearbeitet würde und ob sie damit dem Land Brasilien so einen guten Dienst erweisen würden. Sowas auch gegenüber den Verbänden kleinzureden funktioniert vielleicht in unserer Bananenrepublik aber die FIFA sieht das bestimm nicht gern.

Mehrere hundert Kilometer brachten wir auf der Autobahn erstmal hinter uns und wohl jeder war erstmal damit beschäftigt, das erlebte Spiel zu erfassen und die Bedeutung zu realisieren. Die drei magischen Worte dieses Abends lauteten: Brasilien ist raus!!!

Wir fanden etwas nach einem Viertel der Strecke ein angemessens Autobahnhotel für 10€ pro Person. Die bisher beste Unterkunft im Preis-Leistungs-Verhältnis. Zwei Doppelzimmer mit Dusche auf dem Gang und, naja, sagen wir Klo auf dem Gang mit integrierter Dusche. für den Preis aber war es absolut ausreichend und scheinbar nicht nur für uns attraktiv, hatten sich hier auch ein paar Russen auf dem gleichen Flur einquartiert.