Tags drauf ging es mit dem Taxi in aller Früh zum Flughafen, der durch penible Sicherheitskontrollen auffiel, sonst aber nichts besseres zu bieten hatte. Die Kontrollen an den Flughäfen waren aber dennoch viel lascher als in Europa oder Nordamerika und deshalb auch deutlich angenehmer zu ertragen. Hier schien der Hauptfokus der Durchleuchte noch auf die Erkennung von Stich- und Schußwaffen zu liegen, anstatt so einem Schwachsinn wie die Größe von Flüssigkeitsbehältnissen und im Zweifelsfall das Diskutieren über Kontaktlinsenreiniger. Das gab den Kontrolleuren in Europa fast immer einen Vorwand, sich besonders wichtig aufzuspielen und raushängen zu lassen wer sie den waren, obwohl sie nichts waren. Trotz der laschen Kontrollen in Brasilien wolltesich bei mir irgendwie in diesen Tagen keine Unsicherheiten oder Zweifel an der Flugsicherheit breit machen, dass der Flieger jeden Moment durch Flüssigsprengstoff in die Luft geht – im Gegenteil, die relativ schnelle Abfertigung sorgte für eine angenehme Kundenwahrnehmung durch Unterlassung lästiger Rechte-Pflichten-Spielchen seitens des unbedeutenden Bodenpersonals. Irgendwer sollte das mal den Kontrolleuren in Europa verklickern, wie sinnlos ihre Arbeit eigentlich ist und sie nur Alibi zum Schutz der Integrität irgendeines Beauftragten dient, der ebenso sinnlos auf einem Bürostuhl sitzt, sich in seiner Verantwortung sonnt und auch viel mehr Kohle dafür bekommt als diese armen Lakaien.. Ich nehme mir das mal für meine künftigen Reisen im Hinterkopf mit. Vielleicht motiviert das ja bei Erwähnung den einen oder anderen über eine achso wichtige Rolle nachzudenken.
Mit einem Umstieg und Abholen unserer Klamotten in Brasilia flogen wir nach Fortaleza weiter. In der angeblich gefährlichsten Stadt war zunächst unsere größte Sorge dass alle verfügbaren Schließfächer und andere Gepäckaufbewahrungsmöglichkeiten vergriffen waren. Vermutlich durch die vielen Deutschen, die für diesen Tag die gleiche Idee wie wir hatten. Zur Folge daraus verloren wir elend viel Zeit, die eh schon knapp genug war. Mit dem Taxi wurden wir zur Unterkunft gebracht, die auf den ersten Blick hielt, was sie versprach. Mit demselben Fahrer kamen wir dann eine halbe Stunde vor Spielbeginn in Stadionnähe an. Hier war der Schwarzmarkt komplett überlaufen und gesättigt. Selbst einige Volunteers boten Karten an, die sie zuvor geschenkt bekommen hatten. So viel zur Eindämmung des illegalen Ticketmarkts bei kontrollierter Weitergabe an Sponsoren – absolut sinnlos. Die Verknappung von Kontingenten bei WM-Spielen ist bei Finalspielen extrem ärgerlich, da Fans eher schlecht rankommen, aber wenn bei Gruppenspielen mehrere tausend Plätze frei bleiben, weil zu vielen Sponsoren das Spiel nicht wichtig genug ist, die Karten aber trotzdem auf einem offenen illegalen Markt weiterverkauft werden, beißt sich die Katze in den eigenen Schwanz. Oder wenn an regional-ansässigen Schulen die günstigsten Kategorien in den Arsch geschoben werden, obwohl die Leute vor Ort normalerweise nicht so fußballafin sind und die Kids dann merken dass Ausländer für den gleichen Kick das Dreifache bezahlt haben, gehen die dann zum Spiel oder holen sie ein paar Kohlen raus? Hier gab es heute jedenfalls nichts überpreisiges zu kaufen/verkaufen.
Ins Stadion schafften wir es gerade so zum Klang der Nationalhymnen. Im Bereich unserer Tickets zog man es heute vor, zu sitzen und so machten wir uns anfangs einige Freunde. Zum spiel selbst muss man ja nicht viel mehr sagen. Je nach Erwartungshaltung nahm man den Spielverlauf zur Kenntnis oder wurde, wie den meisten anzusehen war, herb enttäuscht. In der zweiten Halbzeit versammelte sich meine Gruppe in der Nähe einer eingängien Zaunfahne. Schnell fanden sich andere bekannte Gesichter zum kleinen Plausch an selbiger ein und WM-Erfahrungen zu den verschiedenen Spielorten wurden ausgetauscht.
Die Stimmung heute schwenkte von FIFA-lastig zu pro-Ghana um. Scheinbar sympathisierten viele Brasilianer mit fast geschenkten Karten sehr mit Ghana, die ihrerseits einen echten erkennbaren Fan-Anhang wohl in Afrika vergessen hatten. Warum man solch ein Publikum ertragen muss, wird mir immer ein Rätsel bleiben. Auch, was die Leute hinauszieht zu einem Spiel, was sie eigentlich null tangiert und sie ja (gemessen an ihren letztjährigen Protesten) in Brasilien eigentlich andere Probleme haben müssten.
Genauso erschlich es sich mir nicht, was die FIFA für Probleme mit allerhand Zaunfahnen und Banner hatte. Diese Abart zog sich seit Anfang der WM schon durchs komplette Turnier und gipfelte nun vorerst bei diesem Spiel mit auch lautstarken Anti-FIFA-Rufen durch große Teile des deutschen Blocks. Man kann selbstverständlich über Sinn und Stil von solchen Fahnen speziell bei den Spielen der Nationalmannschaft streiten. Trotzdem, und das ist der Grundkonsens, bleibt es das Erkennungsmerkmal von Fans oder Gruppen, sodass andere deren Standort im Stadion wahrnehmen. Gerade bei internationalen Spielen und fremden Stadien, wo man seinen Standort möglicherweise nicht kennt. So kam es zunächst zum ordnergetriebenen Abhängen der Fahnen, bevor sich die Fanmasse unter den deutschen Zuschauern seine Plätze wieder zurückerobern konnte und Präsenz zeigte. Hoffentlich sind noch heute Ordner damit in den Überlegungen beschäftigt, dass ihr Handeln somit absolut sinn- und auch erfolglos war. Wieder bewies die Fankultur, dass der Sport ohne sie nicht besser wird und dass man Zeichen von Fankultur nicht vermarkten kann, ohne dass diese sich auch den Freiraum zu bekommen, sich auszuleben. Es gibt keine JA-Aber-Entscheidungen dabei. Wer Fans anzieht, um nicht vor leeren Stadien Spiele austragen zu lassen, der muss auch Dinge wie Zaunfahnen akzeptieren. Insofern hat die FIFA eh schon leichtes Leben, denn bei den bisher besuchten Spielen gab es ja nichtmal ein einziges Vorkommnis mit Pyrotechnik. Nicht, dass ich sie an der Stelle vermisse, aber vielleicht wäre es ganz gut, wenn sich Ordner wegen sowas den Kopf zerbrechen anstatt wegen ein paar übergroßer Bettlaken ohne jede politische oder gar rassistische Botschaft.