Category Archives: Urlaub

image_pdfimage_print

Petropolis #2

Heute ist ein total sinnloser Tag eigentlich. Kein Spiel, kein Programm, nichts vor. Aber auch solche Tage braucht eine WM um nochmal alle Eindrücke zu verarbeiten und sich auf die große Aufgabe des Wochenendes einzustimmen, zu realisieren was da großes passieren kann, muss, wird!

Wir nutzten den Tag zur Tiefenentspannung, langem Ausschlafen bis nach halb zwei. Nach Frühstück und noch viel länderem Rumgammeln bis weit nach sieben uhr, gönnten wir uns einen Ausflug zur Churrascaria des Ortes. Im Gegensatz zum Buffalo Branco in foz do Iguazu wurde uns hier zusätzlich zu allerhand leckerem Fleisch auch fortwährende Versorgung mit selbigem zuteil. Der Laden füllte sich so gut wie gar nicht, also genossen wir die vollste Aufmerksamkeit der Fleischspießträger. Dazu gabs als Ausgleich nicht gerade günstiges Bier, aber das Gleisch hatte eh schon einen hohen Sättigungsfaktor und außerdem hatten wir ja eh was zu feiern also wozu hier sparen. Die Mahlzeit war von hervorragender Güte. Abends wurden dann noch die Einkäufe im Kühlschrank untergebracht und der Tag mit einer kühlen Dose Skol abgeschlossen.

Sao Paulo | Argentinien – Niederlande

Am nächsten Morgen gab es nach der Dusche noch ein kurzes Frühstück vor der Abfahrt, was den Wert der Übernachtung nochmal zu steigern wusste. Vor allem der Kaffee wusste den Start in den Tag zu versüßen und war mit Abstand das beste Bohnengebräu, was mit in diesem Land bisher in die Tasse gekommen war.

Hochzufrieden mit der Unterkunft setzten wir unsere Fahrt nach Sao Paulo fort. Sau Paulo, besser gesagt das Einzugsgebiet, bot zwar durch Boom-Gebiet viele Häuser zu bestaunen an aber sonst touristisch erstmal nicht viel zu bieten. Die dreispurigen Straßen zur Überwindung langer Strecken blieben stark in Erinnerung. Hohe Häuser waren allgegenwärtig. Die stadt erinnerte mich stark an Kairo. Eine Multimillionenstadt, die einfach nur total unwirklich an einem durchs Autofenster vorbeirauschte. An einigen Stellen wurde sie durch Wohnviertel mit Flachbauten wohlhabenderer Menschen unterbrochen aber Hochhausbaustellen gab es an jeder Ecke. Wir hatten nur begrenzt touristisches Interesse an der Stadt und steuerten Interlagos, nördlich des Flughafens an.

Dort lag die Rennbahnstrecke, auf der auch Formel1-Rennen für den großen Preis von Brasilien stattfinden. Mehrere Minuten fuhren wir umher bis wir ein Tor sahen, was uns einen Ausblick auf die Rennstrecke versprach. Glücklicherweise öffnete es sich kurz darauf, als eine Gruppe Argentinier aus dem Gelände kamen, also schlüpften wir durch. Wir konnten uns frei bewegen und niemand machte Anstalten uns hinaus zu schicken, bis auf einen Wachmann war eh niemand da. Direkt hinter der Tribüne A hatten wir besten  Blick auf etwa 2/3 der Straße. Recht cool, aber für so einen Platz hier mehrere hundert Euro nur für paar laute Motoren und im Kreis fahrende Autos? Nee. Trotzdem war es mal ein tolles Gefühl und die Vorstellung dass hier genau die Rennen stattfinden, lief schon einwenig die Adrenalindrüsen arbeiten. Der Wachmann ließ uns wieder hinaus und war ob der deutschen Gringos gut gelaunt. Klar, wir waren ja auch viel sympathischer als ein Haufen Argentinier.

Nächstes Ziel in der stadt war das Stadion des FC Sao Paulo. Der Parkplatz war frei zugänglich, jedenfalls für Besucher des angrenzenden Restaurant. Nach Auskundschaften des Buffet entschlossen wir uns zu einem spontanen Besuch, war ja schon Mittag durch. Das Essen konnte echt was und war nichtmal übermäßig teuer. Direkt beim Verlassen des Restaurant fiel dem geschulten Auge ein geöffnetes Tor auf. Den Rufen des weit entfernten Wachmanns zum Trotz schlüpften wir kurz hindurch und machten ein paar Fotos vom Innenraum des durchaus hübschen Stadions. Ein nun entspannter Wachmann hatte uns eingeholt und schien aufgrund unserer gezückten Handy-Kamers deutlich weniger besorgt. Dass wir offenbar nichts böses wollten, lag nun auch für ihn auf der Hand. Er war auch sehr freundlich nun, ließ uns noch zu Ende fotografieren. Wir bedankten uns und er schloss das Tor, nachdem wir raus waren. So einfach, Spaß für alle. Hat keiner was verloren und er kann zuhause sogar angeben, dass er ein paar Ausländern eine Bitte gewährt hat. Tut doch niemandem weh. Gut genährt und alle Programmpunkte erledigt, steuerten wir das WM-Stadion an.

Das Stadion lag verkehrsgünstig an einer Metro-Station, die ebenfalls ein Shopping-Center an dem ÖPVN anband. In der nächsten Seitenstraße des angrenzenden Wohngebiets fanden wir genügend freie Parkplätze ‘sem seguranca’, aber dafür auch ‘sem monetos’. Durch Vorzeigen der Tickets durften wir an der Absperrung vorbei den direkten Weg zum Einkaufszentrum über dessen Parkplatz nehmen, während viele andere Leute außen herum mussten. Im Center selbst war es ziemlich voll, mehrmals wurden wir von Deutschen, Argentiniern und anderen nach Tickets gefragt. Ohne großartige Unterhaltungen machten wir uns im ‘Extra’ noch kurz auf die Suche nach gekühlten Getränken und liefen dann in der gesicherten Masse in Richtung der Stadioneingänge. Mehrere Absperrreihen sollten unberechtigten Personen den Zugang verweigern, aber die Tickets wurden nicht wirklich gut kontrolliert. Erst am Drehkreuz kam es wirklich darauf an, ob man das richtige Ticket vorzeigte.

Das Stadion war eine realtiv große Enttäuschung, sah von außen aus wie ein Parkhaus. Die große graue Wand hinter einer der Geradentribünen stellte sich nach dem Spiel als riesige LED-Fläche heraus. Die beiden hochgezogenen Hintertortribünen passten so gar nicht dazu, lagen eigentlich außerhalb des Stadions und waren nicht durch das Dach überspannt. Es sind nur für die WM aufgebaute Zusatztribünen, die hinter den eigentlich einrangigien Hintertortribünen hochgezogen waren. Die Wegführung innerhalb dieser war auch ziemlich verwirrend, wennglech die Flächen groß gehalten waren und die Masse an Leuten sich dadurch relativ weit verlief. Da Mitte der ersten Halbzeit leichter Regen einsetzte, zunächst Niesel aber dann stärker werdend, suchten wir uns nach der Halbzeitpause einen Platz au der Gegengerade. Die Gänge in dieser festen Tribüne waren ziemlich eng und für die Menschen gab es auch nicht genug freie Gänge. Der Blick vom Platz in der obersten Reihe war aber deutlich besser als Hintertor und außerdem blieb es hier trocken. Das Spiel war vom Verlauf her nicht so spannend und so blieb mir eigentlich nur im Gedächtnis, dass ich hier im Buch einwenig fehlende Tage nachtrug, bevor das Elfmeterschießen losging. Die allgemeine Stimmung im Stadion hatte sich nun den Argentiniern zugewandt, da den Brasis und den Holländern ordentlich was in die Hose gerutscht war. Bereits beim voherigen Platz fiel auf, dass verhältnismäßig viele Brasis sich zwar nicht wirklich an der Stimmung beteiligten sondern eigentlich nur gegen die Gauchos am pöbeln waren, während sich die Holländer eigentlich nur hinsetzten und das Spiel ihrer Mannschaft stumm verfolgten. Jetzt jedenfalls war Argentinien deutlich zu vernehmen.

In der Folge des Ergebnisses verließen die Pro-Holland-Brasis fluchtartig das Stadion, die Holländer schlichen vondannen und die Argentinier wussten korrekterweise zu feiern. Wir trödelten noch einwenig rum, bevor wir uns im Einkaufszentrum mit Proviant für die Fahrt nach Rio eindeckten und der Stadt den Rücken kehrten. Mitten in der Nacht, kurz vor drei Uhr erreichten wir unser Quartier, nach tiefsinnigen Gesprächen während der Fahrt und dem Teilen unterschiedlichster Lebensabschnittsaspekte und -ansichten, sowie dem Klassiker “Vodka-Kirsch”, hatte die Müdigkeit ab zwei Uhr so ziemlich jeden von uns voll im Griff. Alle, mit Ausnahme unseres immerwährenden Fahrers, für dessen “unermüdlichen” Dienst am Steuer tiefer Respekt gebührt.

Ouro Preto, Belo Horizonte | Brasilien – Deutschland

Heute standen wir sehr früh auf: Halbfinale! Bis nach Belo Horizonte zeigte google maps navigator 400km an, die erstmal gemacht werden wollten.

Vorher war aber noch etwas Kultur und sightseeing angesagt. Etwa halb 11 erreichten wir den schmucken Ort Ouro Preto, ein kleines Goldgräberstädtchen. Schon die Anfahrt zum zentralen Platz bot allerlei Anschauungsmaterial an Häusern im kolonialen Stil, gut gepflegtund bunt verziert. Auf dem typisch zentralen Platz fanden gerade die Vorbereitungen für das Public Viewing zum Spiel der Brasilianer statt. Wir bemühten uns, den beschriebenen Rundweg aus Zeitgründen mit Auto abzufahren aber kamen dabei nicht weit. So parkten wir es und liefen zwei der schönsten Kirchen besuchen. Leider durfte man dort nicht fotografieren aber in der zweiten fanden gerade mehrere Zeremonien inkl. Kamerateam statt, also knippste ich ein paar Bilder um mal ein paar der beeindruckendsten Innenausstattungen festzuhalten. Der hübsche Ort wusste zu beeindrucken, dennoch setzten wir bald mit großer Vorfreude die Fahrt nach Belo Horizonte fort.

Von der Stadt selbst konnten wir uns nicht viel anschauen. Der Stadtplan bzw. gmaps navigierte uns zur Abholstelle für die Tickets. Die Straßen in dieser Ecke hatten alle 90° Winkel zueinander, die kleineren Straßen mündeten mit 45° zu den großen. Direkt außerhalb der Sperrzone gab es wiedermal haufenweise Parkplatzanbieter, die ihre Hinterhöfe für Autos vermieteten und etwas Geld dafür wollten. In einem angrenzenden Wohngebiet stellten wir das Auto ab und liefen den letzten Kilometer bis zum Stadioneingang zu Fuß.

Die Spielpaarung allein versprach schon ein Knaller zu sein. Welche bessere Möglichkeit kann es geben, den WM-Gastgeber zu sehen? Zum Spielverlauf muss ich nicht viel schreiben, jeder interessierte wird es verfolgt haben und es wird mehr als genug Experten geben, die bei Erscheinen dieses Texts alle sportlichen Aspekte zu ausreichender Genüge aufgearbeitet haben werden.

Die Hymnen erzeugten zum ersten Mal während des Turniers richtig Gänsehaut, schöner hat das Deutschlandlied nie geklungen und mit mehr Gefühl wurde es bis dato nie gesunden, als an diesem magischen Nachmittag in Südamerika. Die Stimmung vor dem Spiel war prächtig, nur gute Laune war allseits präsent. Die Brasis versuchten, ihre Nervosität dadurch zu neutralisieren indem sie mich und andere Deutsche zu fotzeln versuchten und ständig was von einem 2:0 redeten. Ein Fingerzeig auf meinen DFB-Adler auf der Brust und das Wort Maracana ließ diesen Spaß dann schnell verstummen. Ein super Vorgeplänkel. Auch das Stadion überzeugte schnell. Das weite Rund, gut überdacht und Akustik waren in allen Belangen der Hochklassigkeit eines WM-Halbfinals würdig. Die Brasilianer legten stimmungsmäßig gut los, eine ordentliche Lautstärke mit ein paar halbwegs erkennbaren Gesängen, die vom gesammten Publikum getragen wurden. Sowas lässt einem doch das Fan-Herz höher schlagen. Von wegen, bei einer WM ist nix los. Allerin die Bedeutung des Spiels auch mit Hinblik auf gesellschaftliche Aspekte des Landes und die Überzeugung der Brasis, dieses Turnier unbedingt gewinnen zu müssen, führten zu einem unbeschreiblichen Fußballerlebnis, bei dem sich selbst der letzte Fußballdödel im Stadion aus sich heraus ging. Für meinen Geschmack kippte diese Stimmung jedoch etwas zu früh und zu jäh, als die deutsche Mannschaft das Spiel übernahm. Von nun an mit kleineren Unterbrechungen war nur noch der deutsche Sektor zu hören.

Beim Stand von 0:4 verließen einige Brasilianer bereits das Stadion. Einige ließen es sich nicht nehmen, uns die Hand zu geben oder abzuklatschen, Glückwünsche auszusprechen. Schon zur Halbzeit war die Stimmung spürbar nicht mehr so lustig wie noch kurz vor dem Spiel. Unsere Plätze direkt an einem der großen Durchgänge mit Abstand von 1.5m zu einer Brüstung und der kürzeste Weg von den unterhalb von uns sitzenden Zuschauern führte dazu, dass diese direkt an uns vorbei mussten. Das optische Highlight war ein Mann mit seinem Sohn, der Junge komplett in Tränen aufgelöst, der Mann mit versteinerter Miene gingen den kürzesten Weg aus dem Block hinaus. Während sich der Junge mit der linken Hand am Vater festhielt, wischte er sich mit der rechten Hand die Tränen aus dem Auge. Traurig, traurig. Allgemein war die Stimmung nach dem Spiel zwar sehr geknickt aber trotzdem weder aggressiv noch unfreundlich. Einige waren anschließend noch etwas trauriger, als man nichtmal mehr bereit war, das Trikot der stolzen Deutschen gegen eins der Selecao zu tauschen. Nee danke, ich hab mein DFB-Leibchen auch nicht gegen den Loser-Lappen getauscht. Je nach Verlauf des zweiten Halbfinals würden sie beim Finale nun für Deutschland oder Holland sein. Hauptsache gegen Argentinien.

Nach Spielende gab es für die deutschen Blöcke noch eine Ausgangssperre, die natürlich für uns keine Relevanz besaß. Dort jedenfalls herrschte beste Stimmmung und sie feierten sich selbst. Rio de Janeiro, oh-ohhhhh. Wir nahmen zügig Kurs auf Sao Paulo, liefen zurück zum Auto vorbei an den Polizeiabsperrungen wo die schwer bewaffneten Kampftruppen mit Schutzschild und Knüppel für die Halbfinalsieger Spalier standen, was für eine nette Geste. So viel wie noch nie. Wir kümmerten uns mit der angemesenen Portion Aufmerksamkeit einen Scheiß drum. Trotzdem wäre es mal interessant zu wissen, in welchen Situationen die Schild und Knüppel heben und gegen Fußballfans aus aller Welt losknüppeln würden. Vor allem, wie das dann international medial aufgearbeitet würde und ob sie damit dem Land Brasilien so einen guten Dienst erweisen würden. Sowas auch gegenüber den Verbänden kleinzureden funktioniert vielleicht in unserer Bananenrepublik aber die FIFA sieht das bestimm nicht gern.

Mehrere hundert Kilometer brachten wir auf der Autobahn erstmal hinter uns und wohl jeder war erstmal damit beschäftigt, das erlebte Spiel zu erfassen und die Bedeutung zu realisieren. Die drei magischen Worte dieses Abends lauteten: Brasilien ist raus!!!

Wir fanden etwas nach einem Viertel der Strecke ein angemessens Autobahnhotel für 10€ pro Person. Die bisher beste Unterkunft im Preis-Leistungs-Verhältnis. Zwei Doppelzimmer mit Dusche auf dem Gang und, naja, sagen wir Klo auf dem Gang mit integrierter Dusche. für den Preis aber war es absolut ausreichend und scheinbar nicht nur für uns attraktiv, hatten sich hier auch ein paar Russen auf dem gleichen Flur einquartiert.