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All posts by AndiSmirre

Sao Bento | Stammtischfest

Am nächsten Morgen besuchten wir das Stammtischfest. Dort stellten die verschiedenen Klubs, Vereine und anderen Organisationen der Stadt einmal im Jahr ihre Pavillons auf, grillten an und sorgen für eine kleine Volksfeststimmung bei europäisch geprägtem Ambiente und Blasmusik wie man es von der Wiesn kennt.

Wir wurden auf mehrere Becher Bier eingeladen und mischten uns unter das fastfreundliche Volk. Immer wieder kam bei den verschiedenen Ständen die Frage auf, ob wir wirklich echte deutsche seien. Auch das Sportliche des aktuellen Turniers kam beim Smalltalk nicht zu kurz. Sogar die Schlachtfestköniginnen ließen sich für Gruppenfotos mit einzelnen von uns Lumpen nicht lumpen. Es gab allerhand europäische Schmankerl: Gewürzgurken, selbst Haxen und Sauerkraut konnte gesichtet werden. Kulinarisches Highlight war aber der brasilianische Rollmops. Wir kamen mit den örtlichen Radiomoderator ins Gespräch, bei dem es jeden Sonntag deutsche Volksmusik zu hören gibt. Ein Stand mit Männern in bayrischer Tracht fiel ebenfalls besonders markant auf.

Leider zog bald Regen auf, sodass wir das Fußballspiel der Brasilianer statt beim örtlichen Public Viewing auf Einladung eines weiteren Bekannten in dessen Haus schauten. Wenig später fing es dann nochmal an, draußen richtig zu schütten und wir wurden, als es langsam aufhörte, nach dem Spiel noch zu einer Besichtigung der Stadt herumgefahren und schauten das späte Spiel am Abend erneut auf Einladung. Nachdem wir uns dann im Hotel etwas frisch machen konnten, wurden wir (erneut auf Einladung) zum Essen abgeholt.

Wir kehrten in einer Pizzeria ein, die es wohl in der Form nicht oft gibt. Ein edles Gebäude als Restaurant, gereicht wurden keine Karten sondern man wurde direkt am Tisch bedient oder konnte sich an einer kleinen Auswahl vom Buffet bedienen. Die Pizzen wurden von einer Anzahl Bedienungen gebracht, die so lange durch den Raum wuselten, bis sie alle ihre Teile an den Mann gebracht hatten. Danach holten sie aus der offen einsehbaren Küche die nächste Pizza. Das Bedienkonzept ist einzigartig. Der große Vorteil ist, dass man als gast nicht lange auf den ersten Bissen warten muss. Die Auswahl war ebenfalls beeindruckend. Von einer scharfen Paprika-Pizza bis Ananas, Eis und Rindfleischbelag, bis zu Schokolade konnte man alles abgreifen, was gerade so mal vorbei gebracht wurde. Wahrscheinlich ist so etwas in Europa aufgrund der Personalkosten gar nicht machbar aber an diesem Abend wusste es trotzdem sehr zu überzeugen. Abgerechnet wurde pro Platz mit all inclusive plus Getränke. Das toll rustikal eingerichtete Haus war sehr ansehnlich, man hatte freien Blick auf den Ofen und alle anderen Gäste durch den großen Innenraum. Dies sorgte für eine offene Atmosphäre und ein kommunikatives Flair. Die Dachkonstruktion wurde von großen Massivholzbalken gestützt und gehalten.

Recife -> Joinville -> Sao Bento

Der Mitternachtsflug brachte uns von dort nach Sao Paulo. Der zurecht schlechteste Flughafen der Welt hielt für uns wenigstens ein paar Bänke zum Schlafen bereit und ich konnte den zweiten Geocache des Landes für mich verbuchen. Ansonsten war der Flughafen echt zu nichts zu gebrauchen und auch das langsame WiFi war heute nicht zufriedenstellend.

So flogen wir nach Joinville weiter. Ein holpriger Flug gen Süden brachte uns in eine atemberaubende Umgebung. Schon beim Anflug waren wir kaum aus den Wolken gekommen. Bei Landung an dem kleinen Flughafen waren wir gefühlt noch mitten in den Wolken, während das Fahrwerk schon aufsetzte.

Nach Abholung durch die Mietwagenfirma zu deren Filiale und zeitnaher Bereitstellung des Gefährts immerhalb weniger Minuten, fuhren wir die bergigen Straßen nach Sao Bento weiter. Entlang herrlicher Serptentinen mit tollem Ausblick über die ganze Landschaft fuhren wir durch die Berge hinauf auf bis zu 1000 Höhenmetern. Der Nebel war teilweise so dicht, dass man keine hundert Meter weit schauen konnte.

Die kleine verschlafene Stadt Sao Bento liegt mitten in den Bergen, von dort fuhren nur zwei bedeutende Straßen weg. Eine nach Joinville, die andere nach Curitiba. Nach Aussagen der Bevölkerung ist gerade eine (andere) aufgrund von Erdrutschen gesperrt bzw. einfach weg. Auch auf den anderen Straßen gab es Stellen wo zwar das nötigste geräumt war, aber zweifelsfrei mal große Teile des Hangs auf die Straße gespült waren. Unser Hotel mit deutschsprachigem Receiptionist lag auf einer Anhöhe mit Ausblick auf ein Tal. Abends hüllte sich der Hügel in eine Wolke aus Nebel.

Wir wurden nach einer Rundfahrt und Besichtigung durchs Gelände abends durch bekannte zweiten Grades zu einem leckeren Abendessen mit gewaltig viel Fleisch, Salat, Bier und Foto schauen eingeladen. Ein komplett deutschsprachiger Abend mit viel Erfahrungs- und Eindrucksaustausch nahm seinen Lauf. Das war eine wirklich überraschende und interessante Erfahrung, keiner von uns hätte während dieser Reise nach nunmehr fast 2 Wochen nur portugiesischer Sprache nochmal erwartet auf Brasilianer mit so hochwertigem Deutsch zu treffen. Auch die Gastfreundschaft sucht seinesgleichen.

Wir wurden nach den weiteren Reiseplänen gefragt, holten uns Tipps und vermittelten sogar noch die überzählligen Tickets fürs Spiel in Porto Alegre. Außerdem wurden wir fürs jährliche “Stammtisch”-Fest eingeladen, was am nächsten Tag auf dem zentralen Platz stattfinden sollte. Zum Abschluss und zur Feier des Abends wurde eine Flasche Rotwein geöffnet, die für die Rückkehr von einem aus unserer Gruppe (der diese netten Menschen über eine Verwandtschaft kannte) aufgehoben wurde und zwar mehrere Jahrzehnte. Ein scheußlicheres Gesöff, von dem wir und jeder sonst auch nur den symbolischen Schluck genommen hatte. Der Wein war verdorben, aber die schöne Kiste, Flasche und Aktion reichen um der Symbolik zu genügen.

Recife | USA – Deutschland

Immernoch erkältet startete der Tag mit einem guten Frühstück und dem leider verpassten Sonnenaufgang. Den hätte ich mir über dem Westatlantik schon gern gegeben, aber irgendwie hielt mich noch der kalte Fieberschweiß fest ans Bett gefesselt, zu so früher Stunde.

Unsere Fahrt zurück nach Recife verlief bis 20km vor der Stadt recht reibungslos, danach wurde der Verkehr zunehmend dichter. Der dauerhafte Regen auch schon in der Nacht zuvor ließ die Schlaglöcher der Straße in den braunen Pfützen verschwinden. Etwa 6km vor unserer angepeilten Metro-Station ging so ziemlich nichts mehr vorwärts. Über die seitliche Schlammpiste schummelten sich unsres und andere Autos an der extrem zähflüssigen Blechlawine vorbei. Ein LKW-Fahrer meinte es nicht gut, fuhr uns links ins Auto. Pff, war der Reifen platt. Natürlich nicht der vom LKW, sondern unser linkes Vorderrad fuhr nur noch auf der Felge. Da wir das aber nicht sofort bemerkten, fuhren wir die von dort verbleibenden 500 Meter noch bis knapp vor die Metro-Station in ein Wohngebiet, angehalten durch eine etwas höhere Fahrbahnschwelle, auf der der Unterboden aufsetzte.

Dort beschlossen wir dann, das Rad zu wechseln. Glücklicherweise fanden wir alles Nötige an Werkzeug und zogen uns bei der Aktion auch das Interesse der örtlichen Bevölkerung zu. War vielleicht nicht das cleverste, genau in dieser Gegend den Kofferraum mit Gepäck zur Einsicht für jedermann und öffnen und auch das Gepäck zeitweise auszuladen, aber schließlich musste ein neues Rad drauf. Bei strömenden Regen bemühten wir also Wagenheber und das Ersatzrad war nach 15 Minuten Schrauberei anmontiert. Offensichtlich auch sehr zur Freude der schaulustigen Bewohner des nächstgelegenen Flachbau.

Die Fahrt zum Stadion per Metro kostete schlappe 1.80 R$ ohne rotes Bändchen für den Stadion-Transfer. Mit 8R$ kostete der Spaß für ein rotes Armband deutlich mehr, aber lieber erstmal kein Geld ausgeben und schauen, ob es das rote Bandel bei der Hektik am Bustransfer wirklich brauchte. Zusammen mit den anderen hüpften wir also dort an den Bandl-Verkäufern in der Menge jeder Menge Bandl-Träger vorbei ans Ende der Warteschlage für den Bus. Kein Kontrolle bisher und ab hier, hätte vermutlich mit dem üblichen Wechselgeld-Problemen in Ländern der zweiten/dritten Welt eh zu lange gedauert, bis das Jungchen auf nen Fuffie passend rausgeben könnte. Also insgesamt 0.60€ für die Metro-Fahrt zum (eventuell später dann auch vom) Stadion, ein Schnäppchen war das.

Irgendwie kam mir dafür der Fußmarsch vom Bus zum Stadion sehr weit vor. Viele Momente zur Beobachtung des Schwarzmarkts blieben nicht, wir waren viel zu spät dran. So hetzten wir über wassergetränkte Wiesen und Schlamm neben dem gepflaztertem und völlig überlaufenen Fußweg Richtung Stadioneingang. Für die Hymne langte es nicht mehr komplett.

Das Spiel bot eigentlich nur wenige Aufreger. Da war einmal der Flitzer mit dem FC Bayern Handtuch, der sensationell wenig Ordneraufmerksamkeit bekam und mit Müller grandios abklatschte. Dann war da noch der erwartete Zaunfahnen-Terror durch die FIFA. Nunja, Worte über Sinn oder Sinnlosigkeit wurden ja schon genug verloren. Aber diesmal lag die Latte noch etwas höher. Mit gewaltvollem Abreißen bis fast zur mutwilligen Zerstörung einzelner Fahnen reichten die Aktionen der sonst relativ beschäftigungslosen Ordner. Auch schreckte man nicht davor zurück, eine Einheit behelmter Polizei durch die erste Reihe des oberen Rangs zu schicken, um der Situation mit ein paar bemalten Tüchern Herr zu werden. Für Unterhaltung war also bestens gesorgt.

Auf der Gegenseite wusste der Amerikano-Block mit einem geschlossenem Auftritt zu überzeugen. Man kann zwar der gesammten USA zwar keinen Fußball-Fanatismus bescheinigen, aber diejenigen die bei einer WM aufkreuzen, wussten ihr Team besser zu unterstützen als es sportlich wert war. Einige laute Lieder und sogar eine etwas größere Stars-and-Stripes-Schwenkfahne machten sich in deren Block bemerkbar, wenn auch jeweils zeitlich begrenzt.

Nach dem Spiel ging es zügig per bequemen Behindertentaxi (Stichwort: “diabeticos” genügte) zur U-Bahn. Wie auch schon bei mehreren Gelegenheiten beobachtet, scheinen in Teilen von Brasilien Menschen mit nicht-idealem Body-Maß-Index oder auch leichtem Übergewicht als behindert zu zählen, was wir mehrfach elegant an Einlässen und Transfergelegenheiten ausnutzen konnten. An unserer U-Bahn-Station angekommen fanden wir zur Erleichterung auch unser Auto in dem Zustand vor, in dem wir es dort geparkt hatten.

Die Situation auf den großen Straßen Richtung Flughafen hatte sich noch nicht gebessert, spätenstens auf den Zubringern da ging ab 1km vorher nix voran. Nach langem Umweg fanden wir den freien Weg von Süden und nährten uns im Steakhouse am Shopping-Center Recife bei gutem Rindfleisch und der Partie Russland – Algerien auf dem Fernsehapparat. Der Sieger wäre der deutsche Achtelfinalgegner.

Am Flughafen bei der Autoabgabe wurde es dann noch kurz emotional, als unser Parkschein im Zuge des Ausräumens verlegt war und der Putz- und Inspektionsangestellte der Mietwagenfirma deshalb das Auto nicht zurück nehmen wollte. Der Typ stellte sich aber auch extrem scheiße an, dafür dass uns sein Laden hat mehr als 24 Stunden auf die Karre warten lassen. Nachdem dies durch unseren offensichtlich nun sehr aufgebrachten Wortführer zum Ausdruck gebracht war und auch dem Verantwortlichen des Parkhauses ein paar Scheine zugesteckt waren, machte klein Putz-Franz seinen Otto auf den Wisch und alles war in Ordnung. Wenigstens das hatte heute gut geklappt und wir mussten so auch kein portugiesisch lernen um zu erklären, wie da ein Rad mit plattem Reifen im Kofferraum liegt..