Pfui Spinne, was gings mir schlecht. Mein Kopf dröhnte, in der Nacht war es reichtlich frisch gewesen und auch sonst gefiel mir die Aufwach-Umgebung überhaupt nicht.
Irgendwie war die letzte Portion Baltika 7 durchgeschlagen. Es half alles nichts, es musste erstmal ne Kopfschmerztablette her. Und Frühstück. Wir packten unsere Klamotten für den Tag und gingen erstmal was zum Happern in das Café mit freiem Internet, um festzustellen dass wir bei Betriebsbeginn um elf Uhr die ersten waren. Ein kühner Blick aufs Handy offenbarte: Hotspot ist an, aber die Durchleitung ins weltweite Netz ist aus. Kein Internet für Papa. Halb so schlimm, Hauptsache es gab erstmal leckeren Tee und gebratene Quarktaschen. Der Tee war echt vorzüglich, Thymian-Minze und nochwas, wirklich gut.
Nach dem Futtern schlenderten wir an einer der Hauptstraßen, die quer zum Dorf verlaufen, Richtung Wasser. Ãœber sehr staubige Straßen hinweg – hier gab es keine befestigten Straßen – an deren Seiten es immer wieder kleinere Souvenir-Jurten und Shops für Getränke gab, ging es auf einen Hügel zu. Von dort ging es mit Blick auf eine wunderschöne Bucht bergab. Die Bucht wurde durch zwei riesige Felsen begrenzt und auch am Strand selbst lag seiner dieser Brocken. Hier war es relativ voll, aber wir hatten den Willen einen Platz für unser Handtuch zu finden und somit war die Suche auch nach wenigen Minuten erfolgreich. Mein Eindruck hatte mich nicht enttäuscht. Dass es nicht sehr viele Menschen ins Wasser zog, hatte einen einfachen Grund: Es war kalt. Also nicht so eine kleine Abkühlung, sondern richtig bitter eiskalt. Nach mehreren Minuten aber gewohnte ich mich langsam dran und man hätte es auch noch länger aushalten können. Zum Glück wärmte einen die Sonne beim Rauskommen wieder ordentlich auf und nach schnellem Abtrocknen ging es schon wieder. Wir gammelten noch eine ganze Weile am Strand rum, bevor wir uns, diesmal auf einen noch steileren Weg in die Richtung des großen Felsens wieder den Hand hinauf machten.
Oben angekommen bot sich uns ein toller Blick über die Bucht und den Schamanenfelsen. Hier gab es an den wenigen Bäumen gespannte Leinen mit noch mehr bunten Stofffetzen. Am Felsen stand ein Warnschild, was zwei Kraxler offenbar missachteten und nun auf der Spitze des Felsens posierten. Wir genossen die Aussicht und liefen auf dem Hügel in Richtung Dorf zurück.
Nachdem wir die nassen Klamotten in unserem Anwesen verstaut hatten, kehrten wir erneut beim Café mit Internet ein, um die Mails zu checken. Nach nun einem dreiviertel Arbeitstag könnten die vom Reisebüro ja mal Zeit gefunden haben, auf mein Anschreiben zu reagieren. Leider wieder nix. Also genossen wir erstmal einen Tee und ein bisschen was zu knabbern. Anschließend schlenderten wir zu dem Mini-Hotel Baikal wo wir laut Auskunft der jungen Dame vom vorherigen Tag ab morgen wohnen würden. Natürlich liefen wir auch mit der Hoffnung dort hin, um sie eventuell anzutreffen und mal nachzuhorchen ob ihr schon was wegen heute eingefallen ist. Bisserl Zeit hatte sie ja nun, um sich was auszudenken. Nicht dass ich erwartete, es würde ganz oben auf der Liste stehen, aber ein bisschen äh.. doch schon.
Das Gelände machte einen tollen Eindruck. Hier gab es Blockhütten, die genauso schick aussahen wie bei unserem Hostel und ein größeres Haus mit mehreren Zimmern. Offenbar dieses berüchtigte Mini-Hotel. Nach ein paar Minuten Sucherei fanden wir zwar nicht die gesuchte Administration, dafür aber – oh Wunder – den Vor-Ort-Ableger des Reisebüros, in dem gerade ein paar chinesische Touristen mit der dortigen Bürokraft ihren folgenden Tagesablauf inklusive Exkursion planten. Hervorragend, als nächste würden wir an der Reihe sein. Gedacht, getan. So, erstmal hinsetzen, das macht nämlich den Eindruck als hätte man viel Zeit. Danach wurde unsere Lebensgeschichte der vergangenen 36 Stunden mit den relevanten Details erzählt. Natürlich auf Englisch, wir machen es ja hier keinem mehr so leicht. Die Frau war zum Glück sehr kundenorientiert und hatte sofort ein Telefon am Ohr, nachdem sie, ebenfalls interessiert rückfragend, unsere Geschichte verstanden hat.
Ihr Lösung sah etwas anders aus, als das was uns gestern erzählt worden war, aber dafür immernoch besser als alles was wir bisher zu Ohren bekommen haben. Erstmal holte sie einen Fahrer mit Minibus ran, damit wir unser Zeug aus der schäbigen Hütte holen könnten. Anschließend würden wir erstmal hier ein Zimmer bekommen und morgen dann endgültig in Sunny Hostel umziehen. Ja, was geht, ist das nix?! Super, wir bekommen, ausgleichend für die Unterkunft in der übelsten Baracke des Dorfes eine Übernachtung im Haus mit dem bisher besten Eindruck hier und anschließend das, was auf was wir schon seit fast zwei Tagen warten. Erinnert mich an gewisse Erfahrungen mit Mietwagenfirmen. Aber nur ein bisschen.
Die Klamotten waren schnell zusammengepackt und in den Bus geworfen. Unser Teufelskerl an Fahrer ließ auch keinen der Sandhügel unterwegs aus um uns ein Offroad-Abendteuer zu schenken. Als wir wieder zurückkamen, war die gute Frau war mit der nächsten Wagenladung Kunden beschäftigt, aber das war egal. Wir waren ja jetzt da. Unser Gepäck wurde während des Wartens erstmal präsent aber nicht zu aufdringlich auf dem Stück Rasen unweit der Bürotür geparkt. Wir wollten ja nicht vergessen werden. Die gute Frau nahm uns mit und wir drehten vollgepackt eine Runde um eins der Blockhäuser. Sie schaute hoch zu einer der Türen: o-O – der war er wieder, dieser Blick. Houston, wir haben ein Missverständnis. Sie ließ uns nochmal abladen und griff zum Handy.
Wenige Minuten vergingen, dann hatte sich die Sache geklärt: Wir würden nicht diese Nacht hier verbringen, sondern im Sunny Hostel und dann ab morgen hier sein. Perfekt, das klang doch noch besser, als alles was wir bisher seit Ankunft in Khuzhir gehört hatten. Sonniger Tag, sonniger Tag, lachendes Herz.. und so weiter. Also auf zum Sunny, zur Olga, und ein paar Augenblicke der Genugtuung abholen, wie – da ist noch ein Zimmer frei?!
Die Klamotten in den Bus geworfen und wieder ging es über sandige Pisten zum Sunny Hostel. Dort ging es durch den Hintereingang des Grundstücks, zwar nicht am Schrottplatz vorbei, aber direkt am Haus des Gastgebers hinein. Olga stand schon bereit, die Hände tief in der dergleichen Schürze vergraben, die sie gestern auch schon anhatte. Man konnte ihre Enttäuschung geradezu spüren. Eine andere Dame des Hauses, auch nicht besser gelaunt, zeigte uns dann unser Zimmer für die eine Nacht. Ein Drei-Bett-Zimmer wars, was nun leider nicht mehr zur kurzfristig weiteren Vermietung bereit stand. Wir besetzten das Zimmer und ließen das Gepäck fallen. Wollten ja eh nur bis morgen bleiben. Die Tante entschuldigte sich in einfachstem Russisch sodass auch der letzte ausländische Analphabet es verstehen konnte – ja bin ich denn blöd? Wir bedankten uns ebenso in zynischer Art und Weise.
Wir hatten aber noch bisserl Dampf und so machten wir uns nochmal auf den Weg ins Dort um was zwischen die Kauleisten zu bekommen. Die Frage der Unterbringung war jetzt zum Glück erstmal erledigt. Wir würden morgen auch relativ zeitig nach dem Packen und (Nicht-)Auschecken beim Verlassen des Sunny im Mini-Hotel Baikal auf der Matte stehen. Aber wichtiger war erstmal der Hunger. In der Straße die zum Strand führte, wurden wir fündig. Der Imbis hieß Jurta und war in einer Jurte mit kleinem Bestelltresen, Fernseher und einigen Tischen untergebracht. Das Essen war vorzüglich und auch günstig. Das galt es sich zu merken, satt wurde man auch. Danach ging es zur Nachtruhe.