15. bis 17. August | Ulan Ude -> Vladivostok

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Wir mussten natürlich früh aufstehen, halb drei Ortszeit. Eine kurze Dusche sorgte fürs benötigte Bewusstsein und die Klamotten wurden noch in den Rucksack gestopft. Zu futtern hatten wir ja schon gestern genug gekauft und so schleppten wir uns mitsamt Gepäck und zwei großen Einkaufstüten zur Rezeption. Dort saß zum Glück noch ne freundliche Olga und war auch über die Taxibestellung informiert. Das ursprüngliche Taxi-Unternehmen war nicht gekommen, aber auf die gelben Engel ist Verlass wenn die Kasse klingeln soll. Demnach stand einige Minuten später auch 50 Meter weiter am Ende der Fußgängerzone eins der neuen gelben Taxis bereit. Das Gepäck füllte den Kofferraum aus und wir wurden auf direktestem Weg zum Voksal chauffiert. Vielen Dank.

Am Bahnhof trafen wir natürlich lieber früh als spät ein und dösten noch ein bisschen in der Wartehalle während unser Zug an der Anzeigetafel stand und wir schauten, dass da bald mal das Gleis angezeigt wurde wo er einfährt. Pünktlich wie ein Uhrwerk kam er und wir nahmen nach dem üblichen Fahrschein-Trara und Passkontrolle des Waggonschaffners unsere Plätze ein. Ein erholsamer Schlaf auf den bequemen Liegen der Platzkartenklasse folgte. Die nächsten rund 60 Stunden für etwa 3000 Kilometer würden diese 2 Quadratmeter auf zwei Liegen unser Zuhause sein.

Der Zug ratterte durch eine immer grüner werdende hügelige Landschaft mit vielen breiten Flüssen bei einer vergleichsweise ereignislosen Fahrt. Nebenan im Abteil (wobei Abteil in der dritten Klasse schon wohlwollend gemeint ist), unterhielten sich die Mitfahrer in spanischer und englischer Sprache. Ein brasilianischer Alleinreisender hatte Bekanntschaft mit zwei Spaniern und einem in Österreich lebenden Russen gemacht. Außerdem gesellte sich immer wieder eine sich komisch verhaltende Russin dazu, die aber zu ihrem Vorteil recht gut englisch konnte was ihre fehlende Attraktivität aber nicht komplett kompensieren konnte.

Die Ausstattung des Zugs war modern, war wohl einer der neueren Züge. Genau gesagt, die Nummer 2, es war der Moskau-Vladivostok-Express. Es gab Klimaanlage und an jedem dritten unteren Fensterplatz eine Steckdose. Toiletten gabs nur am Ende des Waggons (und nicht vorn und hinten), aber dafür ungemein sauberer und vorteilhafter in der Raumaufteilung, ähnlich wie die Klos in deutschen ICEs. Wie üblich gabs kochendes Wasser für Tee und Instant-Suppen gegenüber der Schaffner-Kabine. Zu den moderneren Liegenbezügen kam noch ein Laminatboden hinzu, sehr pflegeleicht und absolut zukunftsfähig. Das konnte man von der Schaffnerin leider nicht behaupten, die extremen Stimmungsschwankungen unterlag. So eine 3+Tagesreise mit Passagieren kann ja auch anstrengend sein, ständig machen sie Dreck diese Kunden oder sind einfach nur laut oder einfach nur da. Aber, und das ist am Ende doch in russischen Zügen wirklich entscheidend, sie wusste die wichtigen Dinge mitzuteilen. Also bei der zwischenzeitigen Verspätung anzukündigen, dass man sich beim nächsten Halt nicht zu weit vom Waggon entfernen sollte oder, zwar alibimäßig aber immerhin, einmal am Tag mit ihrem Lumpen und einem müllgeschwängerten Eimer durchzuwischen.

Am zweiten Abend probierten wir mal das Bordrestaurant aus. Muss ja auch mal sein. Die Kohlen würden jedenfalls bis Vladivostok reichen und die Erfahrung musste mal gesammelt werden. Vorbei also erstmal an einem weiteren Platzkartenwaggon, wo wenigstens noch ein bisschen Leben herrschte, einem Waggon zweiter Klasse und zwei Waggons erster Klasse, totale tote Hose. Ich kann mir nicht erklären, wie die Autorin unseres Reiseführers mit ihrem örtlichen Büro so einen Friedhofstanz verkaufen kann, aber gut. Im Restaurantwagen sah es nicht anders aus: gähnende Leere. Der einzig besetzte ovale Tisch neben der Bar wurde von einem Fahrgast und einer Restaurantbediensten bevölkert, die wohl gerade zufällig ihre Pause genoss. Bedient wurden wir von ihrem Kollegen, dem in der vorderen Kauleiste zwei elementare Bestandteile fehlten, was die Sache zwar optisch abwertete aber wir ja auch nicht zur Erfüllung seiner Gebissreihe hier waren. Das Essen war relativ gut und überraschte durch einen intensiv guten Geschmack. Sein Geschick, meine Suppe bei dem Geschaukel durch den Wagen zu jonglieren ohne dass was daneben ging, sollte ihm später das Trinkgeld sichern.

Die Zeit verging wie im Zug. Abends unterhielten wir uns noch einwenig mit unseren Mitfahrern und tauschten politische und religiöse Meinungen sowie Skype-Adressen aus.

Ereignisarm verlief auch der letzte Tag im Zug. Die Landschaft zeigte nun eine saftig grüne Mischung aus Bergen mit Nadel- und Birkenwäldern. Eine Stunde vor Ankunft erreichte unser Zug die Küste, wo wir einen herrlichen Sonnenuntergang bestaunen durften. Mit immer dichter werdender Besiedlung kamen wir auch der Stadt näher. Die allerletzten Kilometer durchfuhr der Zug die Stadt halb unterirdisch, bevor wir den Bahnhof erreichten.

Hier stiegen alle aus und man verabschiedete sich. Auch wir waren ziemlich froh, das Ziel erreicht zu haben. Fotos über Fotos wurden gemacht, um den Abschluss der langen Fahrt festzuhalten. Tatsächlich hatte das Bahnhofsgebäude von Innen nicht viel zu bieten, aber war von außen genauso schön wie der 9000km entfernte Yaroslaver Bahnhof in Moskau. Die optische Ähnlichkeit musste wohl auf Zufall basiert sein.

Bei leichtem Nieselregen steuerten wir geradewegs die Hauptstraße in die Stadt hinauf. Leicht hügelig ging es hier schon zu. Laut Reiseführer wurden hier vor kurzem für einen Klimbim-Gipfel von Pazifik-Sowieso mehrere Millarden investiert. Und das sah man der Stadt auch an. Wunderschöne Fassadenbeleuchtungen und aufgehübschte Häuser. Die Fußgängerwege waren zwar nicht üppig, aber dafür waren die Übergänge dank gelb-weißer Zebrastreifen und die Unterführungen großzügig angelegt.

Unser Hotel lag in einer Fußgängerzone etwas versteckt. Wir fanden dank einer Passantin jedoch schnell dorthin und die Anlage überzeugte sofort. Hier hatte sich jemand Gedanken gemacht, wie man aus einem relativ hässlichem Ort ein echt schmuckes Hostel bauen kann und das mit einem optisch klarem Konzept und ohne viel Aufwand. Der Empfangsbereich im unteren Geschoss lud auf den ersten Blick zum Rumgammeln ein. Hinter dem nächsten Eingang verbarg sich der Wohnbereich mit privaten Doppelzimmern oben, unten und nochmal so vielen Mehrbettzimmern. Alles sehr hübsch, bissel rustikal mit viel Holz. Toilette unter der Treppenschräge und eine Durchgangsküche im Gang erledigten die ohnehin wenig gebräuchlichen Räume in diesem Hostel.

Wir richteten uns schnell in unserem Raum ein und suchten im Netz nach den nächstgelegenen Futterstellen. Nachdem es in der ganzen Gegend welche gab und wir eher etwas mehr Zeitdruck aufgrund der Öffnungszeiten hatten, liefen wir dann spontan und ohne Plan los. Direkt 90 Meter weiter wurde die Filiale der Schokoladnitza gesichtet, somit war die Notlösung fürs Frühstück ausgemacht. Direkt gegenüber auf der dem Hostel zugewandten Straßenseite betraten wir eine Bar aus der etwas Musik ertönte. Auch hier wurden wir sauber angenehm überrascht. Die Bedienung konnte zwar nur russisch, sprach aber dafür deutlich und langsam genug. Wir bestellten zwei Bier und n paar Pelmeni. Halleluja, das waren die besten Pelmeni die die Welt gesehen hat. Das Bier war auch nicht schlecht. So gabs dann noch ein Bierchen und *nen Vodka aus Beeren hinterher. Das ergab gar nicht mal soviel auf der Rechnung wie befürchtet und wir gaben großzügig Trinkgeld für den Trinkheld.

Fotos zu dieser Karte
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Ulan-Ude - Wladiwostock(3197.39 km)

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