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1. August | Ekaterienburg -> Novosibirsk

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Unsere Platznummer ließ es mich schon erwahnen: Wir hatten die beiden Festerplätze (gerade Zahn oben, ungerade Zahl unten) ganz hinten am Gang. Jawohl, der Toilettendurchgang. In Platzkartenwaggon sind das sozusagen die unbeliebtesten Plätze weil allerweil jemand da durch muss, entweder um auf Klo zu gehen, zum rauchen oder weil hinter der Tür dort die eizigen beiden Steckdosen im ganzen Waggon sind. Die Steckdose, die sich nicht in der “sanitären Zone” befindet, ist auch in Dauerbenutzung. Ein reger Durchgangsverkehr hier.

Zum großen Leidwesen aller anderen Passagiere im Waggon gab es zwei weibliche Zwillinge, vom Alter her viel zu jung um lange Strecken im Zug fahren zu dürfen. Die Eltern waren auch zeitweise mit der Ruhigstellung der kleinen Bälger überfordert. Aber so ist das nunmal in einem Land wo die Frauen mit Anfang zwanzig per Nachwuchs die Familienbindung festigen müssen, damit der Suffkopp im Haus nicht zu einer anderen abhaut. Der halbe Waggon wurde als morgens um halb fünf Ortszeit während eines Halts auf freier Strecke durch lautes Babygeschrei unterhalten, während die Mutter durch Vortäuschen von Bahn- und Fahrtgeräuschen versuchte die schreiende Nervensäge zu beruhigen.

Traumhaft dagegen war die Begegnung meiner Fußzehen mit dem Türspalt als weinige Stunden später ein Fahrgast hinter sich die Tür schließen wollte und mein Fuß sich zufällig nahe dem Scharnier befand. Auch dieser Schrei dürfte viele meiner Mitreisenden gerade aus den übelsten Träumen geholt haben. Der Mann entschuldigte sich aber morgens und eigentlich tut er jetzt, nen halben Tag auch gar nicht mehr soo weh.

Wir überquerten den Fluss Irtysch bei Omsk auf einer großen Eisenbahhnbrücke. Hier hielten wir etwas länger, rund 25 Minuten. Dieser Zug hielt sowieso an viel mehr Stationen als der von Moskau nach Ekaterienburg, hielt aber dort dann jeweils nur wenig Minuten. Lange Strecken fuhren wir durch extrem flaches Land, in dem die gräsernen Felder und sumpfigen Felder durch kleinere Wälder begrenzt waren. Je weiter wir Richtung Novosibirsk kamen, desto mehr dominierte die Farbe türkis die Bahnhofsgebäude. Die Städte waren meist in Plattenbau gehalten, die Dörfer hingegen zeigten meist nur Datschen hier. Insgesammt aber nahm die Zahl der Dörfer ab, je weiter man von den Städten weg kam sowieso. Die Steppe beherrschte hier das Landschaftsbild.

Wir bereiteten uns schon fast aufs Abendessen vor, da hielt der Zug erneut an einem größeren Bahnhof: Babarinsk. Das traf sich gut, denn beim Einfahren in den Bahnhof konnte man schon die leckeren Lebensmittel aller Art in den Händen von Frauen mit Schürzen oder Omas mit Kopftuch sehen. Beim Aussteigen schoß einem sofort der Geruch geräucherten Fischs in die Nase. Hier gab es alles, um den Bedarf an Abendessen zu stillen: Piroggen mit allerlei Füllungen, Fisch in verschiedensten Größen oder Beeren in großen Plastikbechern. Wir kauften einen Fisch für günstige 150 Rubel und noch solche aus Fischfleisch gebratenen Scheiben, dick wie Brot aber dafür rund. Den fetten Fang verstauten wir an unserem Platz zum späteren Genuß und vertraten uns noch ein wenig die Beine, bevor der Zug nach rund 15 Minuten Halz wieder losrolle. An dem hübschen Bahnhof stand an einem der nahen Gleise auch noch eine wunderschöne alte Dampflokomotive, die da aber nur rumstand. Trotzdem nett anzusehen. Unser Zug hingegen dampfte mit elektischer Kraft gen Dunkelheit, während wir zu Abend aßen.

Pünktlich kurz nach halb elf erreichten wir Novosibirsk, die Stadt an dem großen Fluss Ob der vor dem Einfahren in den großen Bahnhof überqert wurde. Zu Fuß machten wir uns sogleich auf den Weg ins Hostel. Dies sollte nur wenige Fußminuten vom Bahnhof entfernt liegen, die bauchigen Taxifahrer boten uns trotzdem in der Wartehallte bereits ihre Fahrdienste an, die wir dankend ablehnten. Für diese Strecke hätte es sich vermutlich nicht mal gelohnt, das Portemonnaie zu zücken. Im Hostel brannte zum Glück noch Licht und wir wurden freundlich eingewiesen. Einmal Familienzimmer (6 Betten) für zwei, besten Dank und Gute Nacht.

Tracks auf dieser Karte
Ekaterienburg - Novosibirsk(1483.58 km)