Recife | USA – Deutschland

Immernoch erkältet startete der Tag mit einem guten Frühstück und dem leider verpassten Sonnenaufgang. Den hätte ich mir über dem Westatlantik schon gern gegeben, aber irgendwie hielt mich noch der kalte Fieberschweiß fest ans Bett gefesselt, zu so früher Stunde.

Unsere Fahrt zurück nach Recife verlief bis 20km vor der Stadt recht reibungslos, danach wurde der Verkehr zunehmend dichter. Der dauerhafte Regen auch schon in der Nacht zuvor ließ die Schlaglöcher der Straße in den braunen Pfützen verschwinden. Etwa 6km vor unserer angepeilten Metro-Station ging so ziemlich nichts mehr vorwärts. Über die seitliche Schlammpiste schummelten sich unsres und andere Autos an der extrem zähflüssigen Blechlawine vorbei. Ein LKW-Fahrer meinte es nicht gut, fuhr uns links ins Auto. Pff, war der Reifen platt. Natürlich nicht der vom LKW, sondern unser linkes Vorderrad fuhr nur noch auf der Felge. Da wir das aber nicht sofort bemerkten, fuhren wir die von dort verbleibenden 500 Meter noch bis knapp vor die Metro-Station in ein Wohngebiet, angehalten durch eine etwas höhere Fahrbahnschwelle, auf der der Unterboden aufsetzte.

Dort beschlossen wir dann, das Rad zu wechseln. Glücklicherweise fanden wir alles Nötige an Werkzeug und zogen uns bei der Aktion auch das Interesse der örtlichen Bevölkerung zu. War vielleicht nicht das cleverste, genau in dieser Gegend den Kofferraum mit Gepäck zur Einsicht für jedermann und öffnen und auch das Gepäck zeitweise auszuladen, aber schließlich musste ein neues Rad drauf. Bei strömenden Regen bemühten wir also Wagenheber und das Ersatzrad war nach 15 Minuten Schrauberei anmontiert. Offensichtlich auch sehr zur Freude der schaulustigen Bewohner des nächstgelegenen Flachbau.

Die Fahrt zum Stadion per Metro kostete schlappe 1.80 R$ ohne rotes Bändchen für den Stadion-Transfer. Mit 8R$ kostete der Spaß für ein rotes Armband deutlich mehr, aber lieber erstmal kein Geld ausgeben und schauen, ob es das rote Bandel bei der Hektik am Bustransfer wirklich brauchte. Zusammen mit den anderen hüpften wir also dort an den Bandl-Verkäufern in der Menge jeder Menge Bandl-Träger vorbei ans Ende der Warteschlage für den Bus. Kein Kontrolle bisher und ab hier, hätte vermutlich mit dem üblichen Wechselgeld-Problemen in Ländern der zweiten/dritten Welt eh zu lange gedauert, bis das Jungchen auf nen Fuffie passend rausgeben könnte. Also insgesamt 0.60€ für die Metro-Fahrt zum (eventuell später dann auch vom) Stadion, ein Schnäppchen war das.

Irgendwie kam mir dafür der Fußmarsch vom Bus zum Stadion sehr weit vor. Viele Momente zur Beobachtung des Schwarzmarkts blieben nicht, wir waren viel zu spät dran. So hetzten wir über wassergetränkte Wiesen und Schlamm neben dem gepflaztertem und völlig überlaufenen Fußweg Richtung Stadioneingang. Für die Hymne langte es nicht mehr komplett.

Das Spiel bot eigentlich nur wenige Aufreger. Da war einmal der Flitzer mit dem FC Bayern Handtuch, der sensationell wenig Ordneraufmerksamkeit bekam und mit Müller grandios abklatschte. Dann war da noch der erwartete Zaunfahnen-Terror durch die FIFA. Nunja, Worte über Sinn oder Sinnlosigkeit wurden ja schon genug verloren. Aber diesmal lag die Latte noch etwas höher. Mit gewaltvollem Abreißen bis fast zur mutwilligen Zerstörung einzelner Fahnen reichten die Aktionen der sonst relativ beschäftigungslosen Ordner. Auch schreckte man nicht davor zurück, eine Einheit behelmter Polizei durch die erste Reihe des oberen Rangs zu schicken, um der Situation mit ein paar bemalten Tüchern Herr zu werden. Für Unterhaltung war also bestens gesorgt.

Auf der Gegenseite wusste der Amerikano-Block mit einem geschlossenem Auftritt zu überzeugen. Man kann zwar der gesammten USA zwar keinen Fußball-Fanatismus bescheinigen, aber diejenigen die bei einer WM aufkreuzen, wussten ihr Team besser zu unterstützen als es sportlich wert war. Einige laute Lieder und sogar eine etwas größere Stars-and-Stripes-Schwenkfahne machten sich in deren Block bemerkbar, wenn auch jeweils zeitlich begrenzt.

Nach dem Spiel ging es zügig per bequemen Behindertentaxi (Stichwort: “diabeticos” genügte) zur U-Bahn. Wie auch schon bei mehreren Gelegenheiten beobachtet, scheinen in Teilen von Brasilien Menschen mit nicht-idealem Body-Maß-Index oder auch leichtem Übergewicht als behindert zu zählen, was wir mehrfach elegant an Einlässen und Transfergelegenheiten ausnutzen konnten. An unserer U-Bahn-Station angekommen fanden wir zur Erleichterung auch unser Auto in dem Zustand vor, in dem wir es dort geparkt hatten.

Die Situation auf den großen Straßen Richtung Flughafen hatte sich noch nicht gebessert, spätenstens auf den Zubringern da ging ab 1km vorher nix voran. Nach langem Umweg fanden wir den freien Weg von Süden und nährten uns im Steakhouse am Shopping-Center Recife bei gutem Rindfleisch und der Partie Russland – Algerien auf dem Fernsehapparat. Der Sieger wäre der deutsche Achtelfinalgegner.

Am Flughafen bei der Autoabgabe wurde es dann noch kurz emotional, als unser Parkschein im Zuge des Ausräumens verlegt war und der Putz- und Inspektionsangestellte der Mietwagenfirma deshalb das Auto nicht zurück nehmen wollte. Der Typ stellte sich aber auch extrem scheiße an, dafür dass uns sein Laden hat mehr als 24 Stunden auf die Karre warten lassen. Nachdem dies durch unseren offensichtlich nun sehr aufgebrachten Wortführer zum Ausdruck gebracht war und auch dem Verantwortlichen des Parkhauses ein paar Scheine zugesteckt waren, machte klein Putz-Franz seinen Otto auf den Wisch und alles war in Ordnung. Wenigstens das hatte heute gut geklappt und wir mussten so auch kein portugiesisch lernen um zu erklären, wie da ein Rad mit plattem Reifen im Kofferraum liegt..